Wo beginnt Osteuropa?
Im Verständnis der Geografen und Historikerinnen beginnt Osteuropa erst hinter Polen, der Slowakei und Rumänien. Im ethnischen, sprachlichen und kulturellen Verständnis ist Osteuropa dort, wo die Slawen leben. Was ist dann aber mit den Ungarn, Rumänien, Moldawien, Lettland, Litauen und Estland, welches keine slawischen Länder sind?
Politisch gesehen beginnt Osteuropa dort, wo der Eiserne Vorhang stand, und für viele Westeuropäerinnen gilt dies immer noch. Für Slowenen beginnt Osteuropa bzw. der Balkan in Kroatien, für Kroaten in Serbien. Bei einem Referat vor Architekten und Architektinnen in Zagreb war das Publikum deutlich froh, dass ich Kroatien - wie die Schweiz - Mitteleuropa (vgl. Karte Grossgliederung Europas nach kulturräumlichen Kriterien) zurechnete. Nur die Bulgaren scheinen stolz zu sein, dass das Balkangebirge zu einem wichtigen Teil auf ihrem Staatsgebiet liegt.
Fürst Metternich (1773 - 1859) soll gesagt haben „der Balkan beginnt am Rennweg“. Der Rennweg ist eine bekannte Strasse im Osten der Stadt Wien. Metternich hatte dort seinen Palais. Wien war damals das politische, kulturelle und wirtschaftliche Zentrum eines grossen Reiches, das sich vom Bodensee bis zu den Karpaten und von Böhmen bis Dalmatien erstreckte. Das Reich umfasste zu einem guten Teil diejenigen Länder, die Westeuropäer in Osteuropa lokalisieren.
Obwohl das Wienerische ein ostmittelbairischer Dialekt ist, finden sich viele Einflüsse der ehemaligen Kronländer in der Sprache. Wenn die Wiener zum Mais „Kukuruz“ sagen, sagen die Ungarn kukorica, die Bosnierinnen, Serben und Kroaten kukuruz, die Ukrainerinnern kukurúdza und die Tschechen kukuřice . Und wenn wir schon beim Essen sind: die Küche Wiens und Budapests hat zahlreiche Parallelen, vor allem was die Süssspeisen betrifft. Auf den Speisekarten im Wiener Sacher und im Budapester Gundel finden sich die gleichen Speisen. Die typsichen Wiener Kaffeehäuser findet man auch in Budapest, Zagreb oder Temesvar. Hier wir dort sitzen die Koschabeks, die Pállfys, die Holeschowskys und die Miličićs. Mit dem Essen sind wir wieder bei Fürst Metternich: Für ihn kreierte Franz Sacher seine berühmte Torte.